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Juli 2010

3. Juli 2010 – Temperaturen, heiß und doch kalt
4. Juli 2010 – Warten auf IC 1817 an der Binnenalster
10. Juli 2010 – Farbe ist nicht gleich Farbe
17. Juli 2010 – Abenteuerreise zu den Krokodilen
27. Juli 2010 – Die alte Preußin T18 78 468 zu Besuch






Sonnabend, 17. Juli 2010 – Abenteuerreise zu den Krokodilen

E94-Parade in Freilassing

Die letzte von der Deutschen Bundesbahn eingesetzte Altbauellok war die E 94, das "deutsche Krokodil". Im Mai 1988 endete ihr Einsatz, zu damaligen Zeiten war die DB noch am gewinnbringenden Verkauf ihres Fahrzeugbestandes interessiert. Diverse E 94 waren in der Schweiz leihweise im Einsatz, ein Verkauf kam aber nicht zustande. So wurden die 1987 im AW Karlsruhe zum Verkauf abgestellten Loks 1988 verschrottet.
Dazu gehörte auch die Lokomotive 194 178, welche bei der Fa. Dück verschrottet wurde. Ich habe diese nur einmal im Einsatz gesehen und lediglich einmal in München-Laim, zur Verschrottung bereitgestellt und
bereits aller Anbauteile beraubt, fotografieren können. 2010 zu "70 Jahre Deutsches Krokodil" lebt sie wieder und ich konnte das 1988 nicht mehr vergönnte Foto "unter Strom" nachholen. Nun, mancher mag sich die Augen reiben, die in den 1970er und 1980er Jahren verhasste Farbgebung ozeanblau/beige – gerade an Altbau-E-Loks – sorgt 2010 fur einen Hype und dann noch an einer eigentlich doch längst verschrotteten Lokomotive?
E94-Parade in Freilassing

Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre verkaufte die DB ihre altbrauchbaren Fahrzeuge noch gerne an andere Eisenbahnunternehmen und Museen – einen Wettbewerb auf Schienen gab es nicht und elektrische Lokomotiven fremder, privater Bahnunternehmen durften auf DB-Gleisen im Gegensatz zu Dieselloks und -triebwagen nicht mit eigener Kraft fahren.
Die bis zum Einsatzende 1988 eingesetzte 194 158 wurde als einzige im AW Bremen nicht mehr verschrottete E-Lok an einen Schrotthändler nach Leer verkauft, wo die Lok bis 1997 vor sich hin rostete. Da die DB Anfang der 1990er Jahre noch keinen Verschrottungszwang eingeführt hatte konnte die 194 158 1997 von privat gekauft werden und wurde bis 2001 wieder betriebsfähig hergerichet. 1990 gab niemand mehr einen Pfifferling auf die Lok, welche in Bremen völlig ausgeschlachtet stand, ein Foto der Lok aus diesem Jahr findet sich in der Galerie der Bahnfotokiste "Damals bei der Bundesbahn"
. Im Laufe des Jahres 2010 soll die 2009 HU-fällig abgestellte Lok des Frau Pirch gehörenden EVU "RAIL4U" in Neustrelitz eine neue HU erhalten.
194 178 in der Lokwelt Freilassing

2010 hat sich die Welt bei der Eisenbahn völlig gewandelt. Der Wettbewerb ist bei der Eisenbahn eingezogen. Die DB verkauft Triebfahrzeuge mit denen ihr selbst Wettbewerb gemacht werden könnte nicht mehr und verschrottet ausgemusterte Loks konsequent. Zu Beginn des Wettbewerbs wurden zur Wendezeitvorbehaltlos zum Schrottpreis an Museen gegebene Loks wieder im kommerziellen Betrieb eingesetzt. Anfangs zur Refinanzierung der Unterhaltskosten, gingen in der Folge zu guten Preisen nicht wenige Fahrzeuge an kommerzielle Unternehmen ohne musealen Hintergrund.
Die 194 580 wurde 1988 an die Historische Eisenbahn Frankfurt verkauft und 1990 zur großen Fahrzeugausstellung in Köln-Gereon erstmalig mit ihren Restfristen – und damals als einmalig zu verstehen – für Rundfahrten eingesetzt. Später ging die Lok an die IG 58 3047 nach Glauchau, welche die Lok wieder betriebsfähig herrichtete und über die Muldental Eisenbahnbahnverkehrsgesellschaft (MTEG) für Schubdienste an der Frankenwaldrampe einsetzte.
Die 194 580 wurde 2008 nach einem schweren Schaden und daraus folgenden Brandschäden abgestellt. Die Lokführerin Barbara-Birgit Pirch kaufte 2009 die Lok, nachdem sie bereits 1997 die 194 158 gekauft und zum neuen Leben erweckt hatte. Frau Pirch ließ die 194 580 bei den ARRIVA Fahrzeugwerken detailgetreu im Stile der 1988 verschrotteten 194 178 – der einzigen ozeanblau-beigen Lok der BR 194 – wieder aufarbeiten. Zum Jubiläum "70 Jahre Deutsches Krokodil" wurde die Lok der Öffentlichkeit vorgestellt und wird künftig im Güter- und ggf. Sonderzugverkehr zum Einsatz kommen. Hier wird die Lok auf der Drehscheibe der Lokwelt Freilassing im ehemaligen Bw Freilassing präsentiert.
1020 018 in der Lokwelt Freilassing

Die erstausgelieferte E 94, die E 94 001, wurde 1940 dem Bw Freilassing zugeteilt, aber umgehend dem "angeschlossenen" Innsbruck überstellt und verblieb nach 1945 als 1020.18 in Österreich. Zuletzt als 1020 018 eingesetzt, wurde die Lok von den Eisenbahnfreunden Lienz übernommen und 2008 nach umfangreicher Aufarbeitung im letzten, blutorangenen, ÖBB-Zustand wieder in Betrieb genommen. Hier in der Lokwelt Freilassing auf der Drehscheibe.
ausgestellte E-Loks in der Lokwelt Freilassing

Die Eisenbahnabteilung des Deutschen Museums musste im eigentlichen Museum dem Ausbau des Museums weichen. Bei dieser Gelegenheit wurde die Eisenbahnabteilung umfangreich erweitert, konnte aber nicht im Hauptbau bleiben. Nach Umzug der Messe wurde an der Theresienhöhe ein neues Verkehrszentrum errichtet, wo einige Fahrzeuge ausgestellt werden konnten. Neben einer bay. S3/6 ist dort u.a. ein Triebkopf des Ur-ICE, des ICE-V, ausgestellt. Im Nahverkehrsbereich ist das einzig erhaltene blau/lichtgraue Münchner S-Bahnfahrzeug – der Triebwagen 420 002 – neben dem Stadtbahnprobewagen 275 625 aus Berlin und dem ersten Münchner U-Bahnwagen ausgestellt.
In Freilassing sind die weiteren Eisenbahnexponate ausgestellt, unter anderem die als LAG 1 beschriftete E 69 01. Die Lok wurde auf der als Versuchsstrecke zur Fernbahnelektrifizierung dienenden Strecke Murnau – Oberammergau eingesetzt und war für das System 5.000 V bei 16 Hz ausgerüstet. 1954 bei Umstellung der Strecke auf das bei der DB übliche Stromsystem wurde die Lok nicht mehr umgebaut und nach einer Aufstellung vor dem AW München-Freimann dem Deutschen Museum übergeben. Ihre Schwesterlokomotiven E 69 02 bis 05 wurden auf 15 kV und 16⅔ Hz umgerüstet und blieben teilweise bis ins Jahr 1981 im Einsatz. Auch diese Loks sind museal erhalten – die E 69 03 (DB Museum, Standort Koblenz) und 169 005 (BLV) betriebsbereit. Daneben die mit Buchli-Antrieb ausgestattete E 16 07 und als Dauerleihgabe des Bayerischen Eisenbahnmuseums (BEM) in Nördlingen die von der DR noch bis 1991 in Leipzig-Gaschwitz als Verschublokomotive eingesetzte 244 051 sowie die Freilassinger 144 508.
144 508 und 244 051 in der Lokwelt Freilassing

Die Lokwelt Freilassing beherbergt auch beide Varianten der E 44 – die E 44 und die E 44.5, der speziell für die Strecke Freilassing – Berchtesgaden gebauten, markant abweichenden E 44-Variante. Die 144 502 steht seit rund 10 Jahren am Bf Freilassing als Denkmal. Die leicht abweichende 144 508 ist seit 2008 in der Lokwelt Freilassing ausgestellt, nachdem die Lok vom DB Museum lange Jahre an den Eisenbahnclub Selb-Rehau e.V. verliehen war und dort zuletzt im Freigelände abgestellt war. Die im letzten Einsatzzustand ausgestellte 244 051 repräsentiert die Epoche der E 44 bei der Deutschen Reichsbahn der DDR.
E 16 08 und 103 167 in der Lokwelt Freilassing

Neben den für Bayern typischen Altbau-E-Loks verfügt die Lokwelt Freilassing auch über eine der zahlreich erhaltenen Lokomotiven der BR 103. Wie 244 051 ist die 103 167 im letzten Einsatzzustand ausgestellt, zur Anschauung einseitig ihrer Lüftergitter beraubt. Im Vordergrund die antriebslose Seite der E 16 07.
254 052 in der Lokwelt Freilassing

Zum Jubiläum "70 Jahre Deutsches Krokodil" wurden auf private Initiative zehn Lokomotiven der Reihe E 94 nach Freilassing geholt, finanziert ausschließlich auf Spendenbasis. Die zehn Lokomotiven gaben einen Querschnitt durch die E 94-Geschichte wieder, welche von 1940 bis heute sehr wechselvoll ist und bislang keinen Schlusspunkt gefunden hat.
Die 254 052 repräsentiert die Epoche der E 94 bei der Deutschen Reichbahn der DDR, wo 30 Lokomotiven verblieben waren. 25 waren als Reparationsgüter in die Sowjetunion abgegeben worden und bildeten ab Mitte der 1950er Jahre nach Rückkehr in die DDR den Grundstock der elektrischen Traktion in der DDR, die DR richtete insgesamt 23 Maschinen für einen Einsatz her. Bis 1990 waren die E 94 bei der DR unverzichtbar, erst der rapide Rückgang des Güterverkehrs nach der Währungsunion machte ihrem Einsatz ein Ende.
Die 254 052 wurde an das Eisenbahnmuseum Dieringhausen verkauft, welches die Lok 2002 an die Prignitzer Eisenbahn abgab, die dringend Maschinen für den Güterverkehr suchte. 2006 kam die Lok zur Leipziger Eisenbahngesellschaft, welche die Lok seither regelmäßig im Güterverkehr einsetzt. Am 1. August 2010 hat die Lok Fristablauf – während zunächst keine neue HU vorgesehen war, wurde in Freilassing eine neue HU als nicht unwahrscheinlich umschrieben.
194 051 mit BLB 73965 in Freilassing

Zusammen mit der 254 052 unterzog die Prignitzer Eisenbahn 2002/03 die im Eigentum der Stadt Singen stehende 194 051 einer HU. Die Stadt Singen hatte ein Interesse an der Betriebsfähigkeit ihrer seit Ende der 1980er Jahre als Denkmallok im Bf Singen stehenden Lok und stellte die Lok leihweise zur Verfügung. Auch heute steht "Stadt Singen" als Eigentümer an der Lok. Die Anstrichsdaten sprechen von 1969 und entsprechend sieht die Lok auch aus, lediglich das Dach hat beim derzeitigen EVU, der Pfalzbahn, einen neuen Anstrich bekommen.
Mit zwei aus Frankreich stammenden INOX-Wagen ersetzte die Lok eine planmäßige BLB-Leistung nach Berchtesgaden. Mit BLB 73965 am Haken verlässt das tonintonfarbene Gespann den Bf Freilassing, während nicht nur im Bf Freilassing unzählige Fotografen die E 94-Leistung im Bild festhalten.
194 178 im Bf Freilassing

Der Hingucker der Veranstaltung war die 194 178, eigentlich 194 580. Bis ins Detail ein Replik der 1988 verschrotteten 194 178. Die Lok hat keinen Museumsstatus erhalten, sondern wird künftig im kommerziellen Güterverkehr eingesetzt, fallweise sicher auch die einer oder andere Leistung im Sonderverkehr bespannen. Inmitten ihrer Artgenossen aus Deutschland und Österreich steht die Lok im Bf Freilassing ausgestellt. Links neben der 194 178 die ebenso mustergültig restaurierte E 94 279 des DB Museums aus Kornwestheim – leider die einzige Lokomotive, welche nach Fristablauf 2006 keine Einsatzperspektive besitzt, immerhin darf die Lok bei diversen Veranstaltungen mit Sondergenehmigung des EBA auf Paraden zeigen, dass sie nach wie vor voll betriebstüchtig ist.
1020 018 im Bf Freilassing

Erstaunlich, was die Anwesenheit junger Männer bei der 70 Jahre alten Dame 1020 018 bewirkt: Ein kurzes Besteigen der alten Dame reicht, um sie 25 Jahre jünger aussehen zu lassen. Die Kollegen machen es gerne und die Freude ist ihnen anzusehen, befindet sich die alte Dame bei ihnen doch in hingebungsvoller Pflege.
1020 042 undf 1020.44 im Bf Freilassing

Gegen Mittag kamen aus Österreich die grünen 1020 042 (Verein 1020) und 1020.44 (ÖBB) mit den beiden INOX-Wagen nach Freilassing. Die ÖBB-Traditionslok 1020.44 verfügt noch über die originalen Frontfenster. Im Hintergrund steht die Denkmallok 144 502, welche von der Lokwelt Freilassing instand gehalten wird.
1020 041 im Bf Freilassing

Zum Abschluss des Tages noch ein Foto der 1020 041, der Lok die die Geschichte der E 94 um ein neues Kapitel erweitert hat. Sind alle anderen E 94 in den jeweiligen Staatsbahnzuständen restauriert, ist die 1020 041 (ehemals E 94 103) von der Mittelweserbahn (dem EVU des Eisenbahnmuseums in Bruchhausen-Vilsen, DEV) 2004 in Unternehmensfarben lackiert worden und dient an der Spessartrampe Laufach – Heigenbrücken interessierten Eisenbahnverkehrsunternehmen als Schiebelok, nachdem die DB ihre Schiebe-Lokomotiven keinen anderen EVU zur Verfügung stellt.
Mein persönlicher Dank gehört allen Aktiven an dieser Veranstaltung, welche ausschließlich privat finanziert wurde und dennoch allen offen stand. In angenehmer Athmosphäre ohne jegliche Hektik und mit bayrischer Gelassenheit wurde hier ein (neudeutsch) Event auf die Beine gestellt, das so schnell nicht wieder zu erleben sein wird. Das macht die chaotische Anreise im Nachtzug nach München und dem Anschluss-EC nach Freilassing vergessen.
Man hätte es fast vermisst, wenn es im Nachtzug nicht über die Lautsprecheranlage gelautet hätte "Liebe Fahrgäste, unserem Zug fehlt ein Liegewagen, in den Schlafwagen sind einige Betten unbenutzbar und das halbe Zugpersonal ist krank!". Und die Lok nicht in Hannover das zeitliche gesegnet hätte, man ohne Klimaanlage fast eine Stunde auf eine Ersatzlok hätte warten müssen und die Ersatzlok in Anfahrt München Hbf auf den letzten Metern durch einen Blackout dann aus den 55 Minuten Verspätung doch noch 65 Minuten gemacht hätte.
Dass im Anschluss-EC einige Wagen fehlten oder verschlossen waren, versteht sich von selbst und dass beim
(zum Glück) letzten Wagen in München Ost eine Tür völlig den Geist aufgab, dass der Wagen vor Ort abgekuppelt werden musste, wundert einen dann auch nicht mehr. Erfreulich war immerhin, dass durch Stellung des Zuges am Einfahrsignal Freilassing meine Ankunft am Zielort genau 61 Minuten später als geplant war und ich damit 25% des Fahrpreises der Hinfahrt zurück bekomme – da ist dann doch noch auf die Bahn Verlass. ;-)
Fotos in Google: Maps Earth © 2010 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben