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15. Juni – Blauer Himmel und blaue Loks
16. Juni – Ozeanblau/beige war gestern
18. Juni – Saisonvorbereitung am Strand
26. Juni – Nach über 40 Jahren ans Tageslicht
28. Juni – OHE-Güterzug nach Bleckede






Freitag, 26. Juni 2020 – Nach über 40 Jahren ans Tageslicht

V8

Für das Eisenbahnmuseum Lokschuppen Aumühle betreibt der Verein Verkehrsamateure und Museumsbahn e.V. (VVM) eine eigene Anschlussbahn als nichtöffentliche Eisenbahninfrastruktur. Bei Besucherbetrieb ruht die Anschlussbahn und so hat auch der Autor selbst hier in all den Jahren noch keinen Anschlussbahnbetrieb erlebt. Die Draisine und die Feldbahn sind nicht Bestandteil des Anschlussbahnbetriebs, so dass der Besucher die Loks der Anschlussbahn immer nur statisch erlebt. Heute kam der V 8 die Aufgabe zu, für die Hauptversammlung des VVM die notwendigen Rangierfahrten zu übernehmen.
Die V 8 wurde 1952 von der Ruhrthaler Maschinenfabrik Schwarz & Dyckerhoff KG für die Norddeutsche Kohlen- und Cokeswerke AG gefertigt und kam dort zunächst als Nr. 4 zum Einsatz, ab 1956 als Nr. 2. Im Jahr 1972 kam die Lok nach Aufgabe des Betriebs des Voreigentümers zur Norderwerft, wo sie bis zum Verlust des Gleisanschlusses im Einsatz stand und 1987 an den VVM nach Schönberg abgegeben wurde. Seit 1993 ist die Lok in Aumühle und wird dort für den Verschub auf der Anschlussbahn genutzt.

V8 und 1892

Bundesweit sind die Vereine in einer Ausnahmesituation – die meist im ersten Halbjahr stattfindenden Hauptversammlungen konnten aufgrund der Coronabeschränkungen nicht stattfinden und werden nun nach Lockerung der Beschränkungen entsprechend den Auflagen nachgeholt. Der VVM nutzte dabei sein Eisenbahnmuseum in Aumühle zur Durchführung der Hauptversammlung außerhalb geschlossener Räume.
Im Vorwege waren einige Vorbereitungen nötig, um die Versammlung unter freiem Himmel durchführen zu können. Hier holt die V 8 den ab 1978 in Aumühle nach und nach in den Ursprungszustand restaurierten preußischen Abteilwagen 1892 (Bauart C3pr11) aus dem Lokschuppen. Obgleich liebevoll und vollständig in den Originalzustand versetzt, kommt der 1972 übernommene Wagen und zunächst u.a. am Strand noch im Betrieb eingesetzte Wagen nicht mehr in Museumszügen zum Einsatz, sondern steht zur langfristigen Erhaltung der Restaurierungsarbeiten und zur Darstellung der Bauart als Exponat stets trocken im Lokschuppen.

V8 und 75 634

Als Nebeneffekt nahmen sich die Aktiven der früheren 75 634 an, welche 1928 von Henschel & Sohn an die Eutin-Lübecker Eisenbahn (ELE) geliefert wurde und dort als Nr. 14 zum Einsatz kam. 1941 wurde die Lok im Zuge der Verstaatlichung zur 75 634 und überstand den Krieg. Dennoch wurde die nach preußischen Grundsätzen als Privatbahnlok gebaute 75 634 im Jahr 1946 an die Teutoburger Wald Eisenbahn (TWE) verkauft, wo die Lok als TWE 223 zum Einsatz kam. 1970 kam die Lok zur Ausnutzung der Restfristen noch zur Farge-Vegesacker Eisenbahn (FVE), ehe sie 1971 endgültig abgestellt wurde. 1973 übernahm der VVM die Lok und brachte sie im selben Jahr nach Aumühle, wo der Verein 1971 das zuletzt für die Unterhaltung der im Wendezugbetrieb („Dampf-S-Bahn“) eingesetzten Loks der BR 78 dienende Bahnbetriebswerk von der DB anmieten konnte.
Die wieder als 75 634 bezeichnete Lok verließ den Lokschuppen 1976 noch einmal, um in Lübeck gezeigt zu werden. Danach blieb die Lok im Lokschuppen hinterstellt – das Datum der letzten Rangieraktion mit der Lok ist nicht überliefert, so dass die Lok seit über 40 Jahren nicht mehr bewegt wurde. Auch dem Autoren ist die Lok all die Jahre nur auf ihrem Stellplatz in Erinnerung. So kam die 75 634 heute erstmals seit über 40 Jahren wieder an das Tageslicht, nachdem im Schuppen
die Rollfähigkeit festgestellt wurde und alle nötigen Lager etc. geschmiert wurden.

75 634

In diesem Zustand ist die Lok nie als 75 634 gefahren – schon gar nicht mit Siebdruckschildern, die die Jahre über an der Lok hingen. Noch am gleichen Tag hat die Lok am Kessel wieder das originale Nummernschild 223 FVE erhalten, so dass die Ansicht nun wieder authentisch ist.

Tw 3 und Bw 56

Ebenfalls seit vielen Jahrzehnten den Lokschuppen Aumühle nicht verlassen hat der von Pascal-Horst Lehne 1955 vom Schrotthändler zurückgekaufte und wieder aufgebaute Kleinbahnbeiwagen 56, welcher seit 1972 in Aumühle geschützt untergestellt ist – nachdem der Wagen zuvor seit 1959 auf dem Privatgrundstück des Eigentümers am Alsterblick 9 gestanden hatte.
Nach fast zwanzigjähriger Aufstellung (1990-2009) auf einem Privatgrundstück in der Straße
Kattjahren am Bahnhof Volksdorf hat auch der im Eigentum des Museum für Hamburgische Geschichte stehende Kleinbahntriebwagen 3 im April 2009 in Aumühle vor dem Bw 56 einen trockenen Platz erhalten. Der Zug zeigt die Gründungsjahre der Elektrischen Kleinbahn Alt-Rahlstedt – Volksdorf – Wohldorf. Fotografisch ist der Verband beengt abgestellt, jeder Meter Hallenunterbringung wird gebraucht. Der temporäre Auszug der 75 634 wollte für ein Foto des Zuges genutzt sein.

75 634

Wenn schon die Gelegenheit besteht, die unsichtbare Eminenz des VVM bei Tageslicht festzuhalten – wo auch auf der Vereinswebsite steht, dass es von diesem Exemplar bisher keine guten Außenaufnahmen gibt – dann gehört eine klassische Fotoposition natürlich dazu. Mit „Triebwerk unten“ steht die Lok vor dem einstigen Dampflokschuppen.
Nachdem der VVM seit 1971 nur Mieter der Anlagen war, konnte der VVM den Standort Aumühle 2004 von der DB erwerben und hat das Museum seitdem deutlich ausgebaut und für die im Außengelände stehenden Fahrzeuge Überdachungen errichtet. Die Sicht auf den Lokschuppen hat sich abgesehen von der Schwerlastpflasterung kaum verändert.

75 634

Klassische Ansicht der ELE-Lok 14 (1928-41), DRB 75 634 (1941-46), 223 TWE (1946-70) oder 223 FVE (1970-73).

75 634

Bei Streckenfotografen oft verpönt, die Tenderansicht der Lok. Durch die Abstellung an den Dachträgern war diese Seite kaum zugänglich und entsprechend – nach fast 50 Jahren unter Dach stehend – verwittert zeigt sich die Lok auf dieser Aufnahme.

V8

Im Laufe der Jahre wurde die Länge des Ausziehgleises deutlich verkürzt – ein Kunststück ist es im Zeitalter der „modernen Eisenbahn“ beim Bau und Betrieb eines ESTW einen Anschluss an die große Bahnwelt zu behalten. Eine Weiche bei DB Netz kostet jährlich hohe Summen, die Einbindung in ein ESTW ist für Vereine quasi unbezahlbar. Glücklich der, der einfach ein Gleis auf die eigene Infrastruktur verlängern kann und die Weiche in eigener Verantwortung warten kann. Das Schloss des Zauns stellt die sicherungstechnische Trennung her und der Schlüssel ist am ESTW-Bedienplatz in Bergedorf verwahrt. So rangiert die V 8 des VVM unbehelligt vom S-Bahn-Betrieb den Lehrstellwerkswagen 60 80 99-27 012-6, welcher aus dem VT 137 137 hervorgegangen ist und im November 1995 von der DB dem Verein Freunde der Eisenbahn e.V. (FdE) als Ersatz für den beim verheerenden Brand des Eisenbahnmuseums Wilhelmsburg im Oktober 1994 ausgebrannten VT 137 138 übergeben wurde – dem einst letzten vollständig erhaltenen Triebwagen der Reihe VT 137 der DRG.

75 634

Ein Panoramablick auf eine seltene Komposition, die 75 634 hat ihren Stammplatz im Lokschuppen und der VT 137 137 unter der Überdachung. Ein Klick auf das Foto öffnet es in FullHD-Breite von 1.920 Pixeln.

V8

Mit dem Bau des zweiten Teils der Überdachung der Abstellplätze mussten die musealen Signale neu angeordnet werden. Gilt bei Signalmuseen die Regel, dass diese Signale verwechslungssicher aufgebaut sein müssen, d.h. üblicherweise quer zur Fahrtrichtung vorhandener Streckengleise, gelten auf der Anschlussbahn nur Rangiersignale und das Signal nur scheinbar für das Gleis 13.

V8

Der Lehrstellwerkswagen wurde 1958 in Saarbrücken-Burbach für seine neue Nutzung hergerichtet, nachdem der inzwischen als VT63 901 bezeichnete Triebwagen in den direkten Nachkriegsjahren noch als militärischer Salonwagen diente. Seit ca. 1987 diente der Wagen in Norddeutschland als Bahnhofswagen 51 147-7 Ausbildungszwecken, ehe er im November 1995 an den FdE abgegeben wurde. Mit Aufgabe des Standortes Wilhelmsburg kam der Wagen im November 2002 nach Aumühle, zunächst als Leihgabe FdE und seit 2017 Eigentum des VVM.
Aktuell wird an der Überholung der Komponenten gearbeitet, auch nutzt die Deutsche Bahn AG den Wagen wieder gelegentlich für die Ausbildung des Stellwerknachwuchses, welcher hier die verschiedenen analogen Sicherungstechniken verstehen und anwenden kann.

V8

Die V 8 zieht nach Abstellung des VT 137 137 die 75 634 zusammen mit dem 1892 wieder vor.

75 634

Zum Abschluss der Fotoreihe noch ein klassischer Blick auf das Gelände des Eisenbahnmuseums Lokschuppen Aumühle mit den heute rangierten Vertretern. Ein Danke an die Aktiven für die Idee und die Umsetzung des „Roll-Outs“ der einstigen ELE-Lok, welche sich künftig sicher gelegentlich im Tageslicht zeigen wird.

Fotos in Google Earth © 2020 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben