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4. Juni – Inselbahn Wangerooge auf Abwegen
5. Juni – Blaumachen in Wahnebergen
6. Juni – Eine private E10 in Hamburg zu Gast
10. Juni – Bunte Vögel an der Baumschule
20. Juni – Jubiläumskavalkade in Skjoldenæsholm
28. Juni – 150 Jahre Straßenbahn in Berlin





Donnerstag, 4. Juni 2015 – Inselbahn Wangerooge auf Abwegen

Wegweiser

Im nahe der Ostseeküste gelegenen Klütz endete die 1905 eröffnete, aus Grevesmühlen kommende, regelspurige Kleinbahn der Großherzoglich Mecklenburgischen Friedrich-Franz-Eisenbahn, die im Mai 1995 wenige Tage vor ihrem 90. Geburtstag abbestellt wurde. Ab Sommer 1997 wurden auf der damals "Klützer Kaffeebrenner" genannten Nebenbahn erstmals touristische Ausflugsfahrten angeboten, nachdem die Klützer-Ostsee-Eisenbahn (KOE) die Strecke von der DB übernommen hatte. Dieser Betrieb endete 2005, nachdem es zu Unstimmigkeiten mit dem Eigentümer der Strecke kam – ein Jahr später waren alle Schienen der Strecke abgebaut und das Kapitel Klützer Kaffeebrenner schien geschlossen.
Bereits 2006 sollte die Strecke als Schmalspurbahn wieder aufgebaut werden, doch überwogen in der öffentlichen Wahrnehmung eher die Zweifel, dass ein solches Projekt erfolgreich umgesetzt würde. Doch begann durch die von Ludger Guttwein gegründete "Stiftung Deutsche Kleinbahnen" 2012 der Wiederaufbau des 4,5 km langen Abschnitts Klütz – Reppenhagen in der Feldbahnspurweite von 600 mm. 2013 war das Projekt weitgehend abgeschlossen, der Betrieb begann nach Fertigstellung der Bahnsteige im Juni 2014.

Bahnhof Klütz

In Klütz wurden die erhaltenen Betriebsgebäude vorbildlich restauriert, einige nicht mehr genutzte Bauten auch abgerissen. Der Bf Klütz erstrahlt vorbildlich restauriert und ohne den zu DDR-Zeiten errichteten Anbau.

329 501

Der Betrieb auf der nun "Lütt Kaffeebrenner" getauften Strecke findet in der Saison Montags bis Freitags statt, es verkehren bis zu vier Zugpaare – in den Wintermonaten und an Wochenenden herrscht Betriebsruhe. Es sind gelegentliche Dampflokeinsätze vorgesehen, bei denen dann außer der Reihe am Wochenende gefahren wird. Die Stiftung Deutsche Kleinbahnen (SDK) hält jedoch den touristischen Betrieb Montags bis Freitags für den wirtschaftlich lohnenderen Betrieb.
Kurz vor Abfahrt des ersten Zuges hatten sich eine Reihe von Fahrgästen im Bahnhof eingefunden, die einmal nach Reppenhagen und zurück fuhren. Bei meinem leider einzigen Besuch zu Reichsbahnzeiten sah es im Bahnhof Klütz mit seinem markanten Wasserturm & Lokschuppen noch
so aus.

329 501

Feldbahnen sind üblicherweise nicht mein klassisches Themengebiet, doch zog ein Lokzugang eine besondere Aufmerksamkeit auf sich – die von der Inselbahn Wangerooge stammende 329 501, bis 1998 unter der seit 1992 geltenden Nummer 399 101 von der Deutschen Bahn AG auf Wangerooge im Zubringerverkehr zu den Fähren eingesetzt.
Die DB beschaffte die Lok 1952 als Weiterentwicklung der Feldbahntype HF 130 C, die 1952 als V 11 901 in Dienst gestellte HK 130 C kam zeitlebens auf der Insel Wangerooge zum Einsatz, der einzigen Inselbahn der Deutschen Bundesbahn. Die mehrfach umgezeichnete Lok wurde von 1968 bis 1991
unter der Loknummer 329 501 eingesetzt, ehe das gesamtdeutsche Nummernschema für DB und DR eingeführt wurde.
2001 wurde die Lok mit Vermittlung des Fördervereins zur Erhaltung der Rügenschen Kleinbahnen e. V. an Ludger Guttwein verkauft, der die vier von Wangerooge übernommenen Loks in Prora in seinen Hallen unterstellte.
Ende 2014 konnte die aufwendige Aufarbeitung mit Umspurung von Meterspur auf die Feldbahnspurweite von 600 mm und Einbau einer Druckluftbremsanlage abgeschlossen werden. Die nach Abschluss der HU zunächst noch als "Stiftung Deutsche Kleinbahnen Nr. 4" bezeichnete Lok wurde zur Saison als 329 501 beschriftet und präsentiert sich somit optisch weitgehend im Zustand des DB-Einsatzes in den 1970er und 1980er Jahren.

Bahnsteig Klütz

Eigenbauten sind die Personenwagen des Lütt Kaffeebrenners. Die Wagen wurden im Stil der Deutschen Reichsbahn der DDR beschriftet, haben aber keine historischen Vorbilder. Das eine oder andere Schild soll der Bahnstrecke ein historisches Flair geben. Die Schienen wurden speziell für die Strecke in China im klassischen Kleinbahnprofil S24 gewalzt. Das rote Verbundpflaster ist allerdings eher ein Zugeständnis an moderne Zeiten.

Stellshagen

Vor ziemlich genau 20 Jahren fuhr am Hp Stellshagen hier letztmals eine V100 der DB mit Bghw-Wagen gen Grevesmühlen. Das 2012 verlegte Gleis ist bereits gut eingekrautet, ohne den mobilen erhöhten Fotostandort wäre vom Zug vor lauter Bewuchs kaum noch was zu erkennen. 329 501 erreicht den Haltepunkt. Der Zug ist gut besetzt, der Aussichtswagen wird den geschlossenen Wagen eindeutig vorgezogen.

Stellshagen

Allein auf weiter Flur liegt der Haltepunkt Stellshagen, wobei sich immerhin noch zwei Fahrgäste für die Rückfahrt nach Klütz einfanden. Der Zug hat einen kurzen Halt eingelegt und fährt weiter gen Reppenhagen.

Klütz

Entlang der Gutshäuser am Klützer Bach nähert sich die 329 501 wieder Klütz. Der gut besetzte Zug im Profil.

Klütz

Wenige Meter weiter die Mittagsleistung von 329 501 nach Reppenhagen – auch dieser Zug ist noch gut besetzt.

Drehscheibe Klütz

Einst regelmäßig für das Umsetzen der V100 bzw. der Tenderloks zuvor benötigt, führt die restaurierte Segmentdrehscheibe in Klütz heute ein Schattendasein, da durch den geänderten Gleisplan nicht mehr über die mit Muskelkraft zu bedienende Drehscheibe umgesetzt werden muss. Im Lokschuppen übernachtet die Lok auch nicht mehr, da in 1990er Jahren eine dreigleisige Wagenhalle in Klütz errichtet wurde.

Bf Klütz

Der Betrieb wird vollständig im Einmannbetrieb gefahren, jedenfalls fiel dem Fotografen kein Zugbegleiter auf. Hier kuppelt der Lokführer seine Lok wieder vom Zug ab, trennt Kupplung und Bremse. Die 329 501 hat speziell für den Betrieb in Klütz eine Druckluftbremse erhalten, da auf Wangerooge bis in die 1990er Jahre ein Betrieb mit ungebremsten Wagen üblich war – allein die Lok bremste über ihre Handspindelbremse.

Bf Klütz

Die Weichen sind Handweichen, welche mit Stellstab umgestellt werden, der in der Lok mitgeführt wird. Der Lokführer fährt hinter die Weiche und stellt die Weiche um, nach Überfahrt hält er nochmals an, um die Weiche zurückzustellen.

Bf Klütz

Zusammen mit Wasserturm und Lokschuppen nochmals die 329 501. Nach dem Kuppeln ist Mittag und eine Stunde Zugpause.

Klütz

Im Vergleich zu den Vormittagszügen ist der Zug auch deutlich leerer, nicht einmal eine Handvoll Fahrgäste sind jetzt noch im Zug, der hier wieder Klütz verlassen hat. Ein Fotograf am Folgetag wartete gar vergeblich auf den 14 Uhr-Zug.

Bf Klütz

Für den 15.00 Uhr-Zug wieder das gleiche Prozedre im Bahnhof Klütz, wobei die Weichen im Fahrweg der Personenzüge schlüsselgesichert sind.

Bf Klütz

329 501 verlässt wieder nur mit einer Handvoll Fahrgästen besetzt den Bahnhof Klütz zur letzten Fahrt des Tages. Links die Klützer Marienkirche, rechts das Gleis für den An- und Abtransport von Fahrzeugen auf dem Straßenwege. Auf der Freifläche im Vordergrund hat früher der Güterboden gestanden, in den 1990er Jahren mit Baufälligkeit abgerissen.
Das gesamte und massiv eingezäunte Areal ist recht weitläufig, die 600 mm-Gleise verlaufen sich fast. Eine Panoramaaufnahme des Bahnhofs Klütz in einer Breite von 1900 Pixeln findet sich
hier bzw. bei einem Klick auf das Foto.

Fotos in Google Earth © 2015 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben