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1. März – Düwag-Revival wider Willen
11. März – Klassisch und modern auf der OHE
14. März – Diesel klassisch, modern und unter Strom
23. März – BR 472/473 in menschenleerer Stadt
26. März – Kirchturmrunde
28. März – Jagderfolg und Fluchtversuch
30. März – Breitspur-Vectron in Lübeck




Sonntag, 1. März 2020 – Düwag-Revival wider Willen

Tw 1017

Am Sonntag führte der Weg ins Pfälzische nach Ludwigshafen. Die einst großzügig kalkulierten Fahrzeugbestände der Verkehrsunternehmen sind längst auf das betrieblich absolut notwendige reduziert worden – unvorhergesehene Entwicklungen können in solchen Fällen kaum noch abgedeckt werden und Kreativität ist im Falle des Falles gefragt.
Führte 2017 in Berlin z.B. die allgemeine Wagenknappheit zur Wiederinbetriebnahme von Museumswagen der Reihe D57 für den Linienverkehr auf der U55, war in Ludwigshafen im Spätsommer 2019
die Sperrung der maroden Hochstraße Süd für die Wiederinbetriebnahme von drei bei Düwag 1963 gebauten Garnituren der Reihe ET6/EB6 verantwortlich. Zwei der Züge waren seit Jahren nicht mehr im Linieneinsatz, einer diente noch für Sonderfahrten. Die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv) beschloss im Herbst 2019 die Reaktivierung der Züge – deren teilweise Verschrottung bereits beschlossene Sache schien – und will diese zumindest bis zur Lieferung der 80 bei Škoda bestellten Neufahrzeuge der Familie ForCity Smart zu den Hauptverkehrszeiten auf der Linie 6 einsetzen. Mit der Reaktivierung der Züge war auch eine Neulackierung der bisher klassisch beige mit brauen Zierstreifen lackierten oder mit Ganzwerbung versehenen Züge verbunden.
Der Verein FTM-Depot 5 Rhein-Neckar e.V. bot am 1. März mit dem bereits in der Vergangenheit für Sonderfahrten genutzten ET6/EB6-Verband 1017/1057 eine Sonderfahrt durch das RNV-Gebiet an – beste Gelegenheit dieses Kapitel aktueller Verkehrsgeschichte abzuarbeiten, für die planmäßig nur zu HVZ-Zeiten vorgesehenen Einsätze wäre die Anreise aus Hamburg doch recht aufwendig.
Der Bahnhof in Bad Dürkheim ist Endstation der als Eisenbahn gewidmeten und 1911/13 eröffneten Rhein-Haardtbahn (RHB) – einer der wenigen Überlandlinien, die im Westen Deutschlands bis heute überlebt haben. Die 1963 beim Bau noch als GT6/GB6-Züge bezeichneten Neubauzüge verkehrten nach Umstellung der Linie von 1.200V auf 600V auf dieser Linie, ehe in den 1990er Jahren Niederflurzüge die Nachfolge antraten.
Hier steht der 1017/1057 auf seiner alten Stammstrecke, erstmals in aktueller Lackierung des Nachfolgeunternehmens RNV am Bahnhof Bad Dürkheim.

Tw 1017

Vor der Kulisse des Haardt, einem Teil des Pfälzerwaldes, ist hier der Verband nahe Bad Dürkheim unterwegs. Die Strecke nach Bad Dürkheim wird noch bis 2021 umfassend modernisiert – nach Erneuerung der Signaltechnik, des Oberbaus, der Bahnsteige und der Fahrleitungsanlage stehen noch die Erneuerung der Bahnübergänge sowie der Ausbau der P&R-Anlagen an.

Tw 1017

„Die  autogerechte  Stadt“  war  1959  der  Titel  eines  durch  das damalige  Bundesministerium  für  Wohnungsbau  geförderten  Buches. Ludwigshafen hat diese Ausführungen versucht konsequent umzusetzen – mit heute für die Stadt fatalen Folgen. Ergebnis ist eine baufällige Infrastruktur, welche in Teilbereichen an Hässlichkeit nicht zu überbieten ist.
Ab 1959 wurden in Ludwigshafen aufbauend auf dem Projekt Visitenkarte bis 1981 nach und nach Hochstraßenabschnitte gebaut. Die Straßenbahn sollte innerstädtisch zu einer U-Straßenbahn werden – für eine nach üblicher Definition gerade eben zur Großstadt gewordene Stadt mit aktuell knapp über 170.000 Einwohnern eigentlich völlig überdimensioniert.
Wer heute Ludwigshafen mit der Bahn erreicht, steigt in einer schmucklosen Betonwüste aus, welche 1969 eröffnet wurde und den 1847 eröffneten Kopfbahnhof ablöste. Im Bahnhof wurden seitdem kaum Modernisierungsarbeiten durchgeführt, nach dem Verlassen der Bahnhofshalle findet sich der Reisende auf einem kahlen Vorplatz wieder und nach dem Abstieg in die Unterwelt in einem renovierungsbedürftigen Tunnelbahnhof, mit Rolltreppen aus der Eröffnungszeit, meist stillgelegt – das Umfeld nicht weniger erneuerungsfällig.
Nur noch zwei von vier Bahnsteiggleisen sind im regulären Betrieb, die anderen beiden Gleise werden seit 2008 nur noch innerbetrieblich befahren – erst in Folge der Hochstraßensperrung mit entsprechender Umorganisation des Liniennetzes fahren
hier seit Ende Januar 2020 wieder Züge mit Fahrgästen.
Seit Dezember 2008 ist ein wesentlicher Teil der U-Straßenbahn Ludwigshafen außer Betrieb, der
C-Tunnel Hauptbahnhof – Danziger Platz – Rathaus (unten) wurde stillgelegt und die Rampe zur Rheinuferstraße inzwischen zugeschüttet. Der C-Tunnel war technisch bis zur Hst Rathaus noch bis März 2019 als Stichstrecke befahrbar, bis neue ESTW-Technik die alte Relaistechnik ersetzte. Am Hauptbahnhof ist der C-Tunnel seitdem mit einer Blechwand vom Streckennetz abgetrennt.
Die Haltestelle Hauptbahnhof Ostausgang ist seit Dezember 2008 geschlossen, die Gleise dienen nur noch betriebsinternen Zwecken. Im Hintergrund die zur Hochstraße West gehörende Brücke über den neuen Hauptbahnhof, welche neueren Datums ist und nicht gesperrt werden musste.

Tw 1017

Seit November 2019 sind auch die Verbindungen unterhalb der einsturzgefährdeten Hochstraße Süd für jeden Verkehr gesperrt. Die Streckenäste nach Luitpoldhafen und Rheingönheim werden linienmäßig nicht befahren – der Betriebshof Rheingönheim kann jedoch erreicht werden, im aktuellen Liniennetz werden auf den Ein- und Aussetzfahrten auch Fahrgäste mitgenommen. Bis zum Abschluss der in Kürze startenden Abrissarbeiten an der Hochstraße wird die Hst Hoheneckenstraße nur von Ein- oder Aussetzfahrten bedient.

Tw 1122

Unmittelbar vor dem 2. Weltkrieg beschafften zahlreiche Verkehrsbetriebe neue, für damalige Zeiten hochmoderne Fahrzeuge. Meist blieben es Einzelstücke, nicht wenige davon wurden im Krieg zerstört. Im Jahr 1939 beschaffte die Rhein-Haardtbahn die beiden Triebwagen 1121 und 1122 von der Waggonfabrik Fuchs. Der Wagen 1121 ging 1943 verloren, der 1122 wurde noch bis 1965 auf der RHB eingesetzt und durch die Düwag-GT6 1013-1018 mit den pasenden Beiwagen ersetzt.
Obwohl seine Verschrottung mehrfach verfügt wurde blieb der Tw 1122 erhalten, 1977 an die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (DGEG) abgegeben und nach Viernheim verbracht. Nach der Auflösung der Sammlung 1988/89 kam das Fahrzeug zunächst nach Bruchhausen-Vilsen und 1997 nach Bad Dürkheim. Mit Hilfe von Schrotterlösen konnte die IG Nahverkehr Rhein-Neckar e.V. (IGN) den Wagen im Jahr 2001 kaufen und bis 2008 grundlegend aufarbeiten. Seitdem ist der Triebwagen im  RNV-Bereich nach BOStrab und EBO zugelassen.


Typ Mannheim

Im Betriebshof Rheingönheim sind diverse Vertreter der Düwag-Bauarten hinterstellt, Zugang aus dem Jahr 2013 ist der Tw 154, ehemals Tw 455 in Mannheim. Die Wagen des „Typ Mannheim“ wurden als Weiterentwicklung des klassischen Düwagwagens ab 1969 gefertigt und wiesen diverse Neuerungen auf, unter anderem hatten die Wagen auch Klimaanlagen erhalten – damals im Straßenbahnbereich ein völliges Novum.
Die letzten Wagen des Typs gingen in Mannheim im Jahr 2003 außer Betrieb und wurden 2005 nach Helsinki verkauft. 2013 konnte die IGN in Absprache mit der RNV den Tw 154 aus Helsinki erwerben und auf dem RNV-Netz hinterstellen. Für die Zukunft ist die betriebsfähige Aufarbeitung des Fahrzeugs vorgesehen.


Düwag-Tw

Mit dem Fahrschulwagen 152 der früheren VBL und dem 1991 mit einem Niederflurmittelteil versehenen GT8N 501 der früheren MVV-V sind zwei weitere typische Vertreter der Düwag-Triebwagen vorhanden.

Tw 156 und 2201

Der 1971 gebaute GT8 156 ist in der originalen Farbgebung ebenfalls seit Jahren hinterstellt. Daneben der 1994 ebenfalls von DUEWAG gebaute 6MGT 2201 in der aktuellen Farbgebung der RNV.

Tw 1015

Markante RNV-Gesichter: Düwag, Variobahn und 6MGT, aufbauend aus den Kasseler NGT6C entwickelt. Der Tw 1015 war rund zehn Jahre abgestellt, bis die unerwartete Entscheidung für die Reaktivierung fiel. Im Januar 2020 machte der Zug wenige Wochen nach Inbetriebnahme Schlagzeilen in der Presse, nachdem im im Betriebshof Rheingönheim abgestellten Triebwagen ein Schwelbrand ausgebrochen war.

Tw 1017

Bis zum Abschluss der Abrissarbeiten an der Hochstraße Süd kommen die drei ET6/EB6-Züge auf der Linie 7 zum Einsatz, welche am Ebertpark wendet. Hier biegt der Tw 1017 in die Wendeanlage an der Ebertstraße ein.

Tw 2217

ABB Henschel entwickelte ab Beginn der 1990er Jahre eine zu 100% niederflurige Straßenbahn, der Prototyp mit der Bezeichnung Variobahn wurde 1993 nach Chemnitz geliefert und dort jüngst außer Dienst gestellt. Die damals noch selbstständigen Verkehrsbetriebe an Rhein&Neckar gingen ab 1998 die gemeinsame Beschaffung von Fahrzeugen an und entschieden sich, bei Bombardier Fahrzeuge des weiterentwickelten Typs Rhein-Neckar-Variobahn zu beschaffen.
Nach dem Aufgehen der Verkehrsbetriebe VBL, MVV und HSB in die RNV wurden die zunächst je nach Betrieb unterschiedlich lackierten Fahrzeuge weitgehend komplett in die aktuelle RNV-Farbgebung umlackiert. Hier fährt der RNV6 2217 in die Hst Ebertpark/Fichtestraße ein.


Tw 1017

Wurden in der Vergangenheit die Farbgebungen der drei Betriebe an Rhein&Neckar kompromisslos an das Corporate Identity der Unternehmen angepasst, wurden die aktuellen RNV-Farben bei der Kurbelwagenreaktivierung 1:1 auf das originale Design der Düwagwagen übertragen.

Tw 1017

Am Vormittag passten die Wolkenlücken meist perfekt zu den Fotostellen, so auch an der Hst Ebertpark/Fichtestraße.

Tw 1017

Am Friedenspark war nur ein ultrakurzer Halt möglich, da ein Linienwagen direkt hinter dem Zug erschien. So mussten wenige Sekunden für „das“ passende Foto reichen.

Tw 4115 und 4357

Am Betriebshof Käfertal befand sich früher die Hauptwerkstatt der OEG. Von der OEG wurden 1988/89 die GT8K beschafft, welche auch über eine Klimaanlage verfügen – Düwagwagen der letzten klassischen Generation. Der Tw 4115 wirbt für das Freizeitbad Miramar in Weinheim. Rechts der Fahrleitungsüberwachungswagen 4357, welcher 1963 von der Waggonfabrbik AG in Rastatt als Großraumwagen 76 für die OEG gebaut worden ist-

Tw 46

Im vorherigen Foto schummelte sich bereits das wohl markanteste Fahrzeug der OEG in das Bild. Aus Anlass des schnellbahnartigen Ausbaus der Verbindung Mannheim – Heidelberg beschafften die OEG ab 1928 über die Waggonfabrik Fuchs in Heidelberg 21 moderne Halbzüge aus Trieb- und Steuerwagen, welche auch in Doppeltraktion verkehren konnten. Mit Umstellung des verbliebenen 1.200V-Betriebes auf 600V endete im März 1974 der Einsatz der Halbzüge bei der OEG. Drei davon blieben als historische Fahrzeuge erhalten.
1992 wurde einer der beiden bei der OEG verbliebenen Halbzüge zu einem Salonwagen umgebaut, eine Brauerei sponsorte diesen Umbau bei dem der Zug eine dunkelgrüne, an eine Bierflasche erinnernde Lackierung erhielt. Der Halbzug 45/46 mit Steuerwagen 46 an der Spitze war an diesem Nachmittag anderweitig gechartert und traf in Käfertal auf seinen modernen Nachfolger 1017 von 1963, welcher inzwischen auch schon (fast) historisch ist.


Tw 46

Nach einer Schleifenfahrt startete der Zug in Richtung Stadtmitte Mannheim, um die Chartergäste einzusammeln.

Tw 1017

Die Strecke Mannheim-Käfertal – Heddesheim wurde von der OEG zunächst als schmalspurige Nebenbahn betrieben und ist seit 1946 elektrifiziert. Einst mit klassischer Eisenbahnsignaltechnik ausgerüstet, ist die Strecke nach Heddesheim heute wie alle anderen Eisenbahnstrecken der RNV mit ESTW-Technik und dem Ks-Signalsystem ausgestattet. Hier zieht der Verband 1017/1057 in der Endstelle Heddesheim zum gewöhnlichen Haltepunkt vor.

Tw 1017

Außerhalb Heddesheim verläuft die Strecke klassisch als Überlandstrecke, welche von diversen Freileitungen gezeichnet ist. Elektromobilität hat eben auch ihren Preis...

Tw 1017

An die Rollbühlstraße grenzen die früheren Produktionsanlagen von BBC. Sie haben ihren Ursprung in einer Vereinbarung von 1898 zwischen der Stadt Mannheim und der Schweizer Firma „Brown, Boveri & Cie“, welche ein Elektrizitätswerk nur mit einem „Fabrik­etablissement” vor Ort vorsah.
Einst waren hier 12.000 Mitarbeiter beschäftigt. Als herausragende Pionierleistung von BBC Mannheim gilt in der jüngeren Geschichte die in den 1970er Jahren zur Serienreife entwickelte Drehstromantriebstechnik. Heute wird vom Rechtsnachfolger der BBC in Mannheim – Bombardier – vor allem Software entwickelt und die früheren Produktionsanlagen werden anderer Nutzung zugeführt.


Tw 1017

Der „U-Bahnhof“ Dalbergstraße ist die einzige unterirdische Station der Mannheimer Straßenbahn, sie wurde 1971 im Zuge der Ausbauplanungen zur autogerechten Stadt errichtet.

Tw 1017

Nach einer Rheinüberquerung endete die rund achtstündige Fahrt durch Mannheim und Ludwigshafen und das Umland wieder in Ludwigshafen Hauptbahnhof. Bei der Aussetzfahrt passierte der Verband 1018/1058 die frühere Hst Hauptbahnhof Ostausgang. Der Verband 1018/1058 ist der dritte reaktivierte ET6/EB6-Zug. Der ET6 1018 diente die letzten Jahre innerbetrieblichen Zwecken, während der EB6 1058 lange abgestellt war.

Fotos in Google Earth © 2020 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben