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3. September – Woltersdorf vor dem Wandel
6. September – Woltersdorf noch mal mit Sonne
8. September – V6E 3644 stilecht mit Beiwagen
9. September – Tag der Straßenbahn 2023
22. September – V6E am Spätsommerabend
23. September – Rund um den Salzwagen
24. September – Vielfalt in Skjoldenæsholm
30. September – Ein Wismarer auf Heimatbesuch I



Sonntag, 3. September 2023 – Woltersdorf vor dem Wandel

Tw 28

Im östlich Berlins gelegenen Woltersdorf steht im kommenden Jahr ein Generationswechsel an – die seit 1978 praktisch ausschließlich mit "Gotha-Triebwagen" der Baujahre 1957 bis 1961 betriebene Woltersdorfer Straßenbahn wird ihren Fuhrpark mit mindestens drei vollniederflurigen Triebwagen vom Typ Moderus Gamma LF 10 AC BD des polnischen Herstellers Modertrans Poznań Sp. z o.o. verjüngen und barrierefrei machen und dafür vsl. vier bisher im Bestand befindliche Gotha-Triebwagen vom Typ T57 ausmustern. Die neuen Fahrzeuge werden eine Länge 14,91 Meter, eine Breite von 2,40 Meter, 24 Sitzplätze sowie 54 Stehplätze aufweisen (der T57 hat 22 Sitzplätze und 65 Stehplätze), als Höchstgeschwindigkeit sind 70 km/h angegeben.
Bisher prägen die 1995 und 1996 bei der Mittenwalder Gerätebau GmbH (MGB) gründlich sanierten und modernisierten Wagen 27, 28, 30 und 32 den Überlandbetrieb am Stadtrand Berlins. Die Triebwagen 31 (2005/06) und 33 (2011 bis 2018) wurden in späteren Jahren identisch modernisiert, so dass mit dem nicht modernisierten Tw 29 insgesamt sieben Triebwagen vom Typ T57 im Bestand sind. Mit den Beiwagen 89 und 90 sind noch zwei seit einigen Jahren nicht mehr betriebsfähige B59 vorhanden, welche in eigener Werkstätte aufgearbeitet worden waren.
Beiwagen werden in Woltersdorf seit 2006 planmäßig nicht mehr eingesetzt, sie wurden im Mai 2006 durch einen in den Hauptverkehrszeiten zusätzlich von Rahnsdorf bis Berliner Platz verkehrenden Kurzläufer ersetzt – der Tw 31 wurde zu diesem Zweck aufgearbeitet und modernisiert.
Der 1959 gebaute Triebwagen 28 kam 1978 aus Dessau, dort lief er als Tw 42. In Woltersdorf wurde er bis 1987 als Tw 30 geführt und dann zum Tw 28. Hier ist der Tw 28 an der Hst Blumenstraße zu sehen.

Tw 28

Bei den Neubaufahrzeugen sind zum Ein- und Ausstieg auf jeder Fahrzeugseite drei Außenschwenkschiebetüren angeordnet, die beiden Türen an den Fahrzeugenden sind 650 mm breit. Über die 1.300 mm breite Tür in der Fahrzeugmitte gelangt der Reisende in das Mehrzweckabteil mit Stellplätzen für Rollstühle, Kinderwagen und Gepäck. Der Innenraum der Moderus Gamma ist schallgedämmt und soll durch große Scheiben und den Einsatz von LED-Beleuchtung eine helle und freundliche Atmosphäre erzeugen.
Im Vorgriff auf die absehbare Ausmusterung ist am Triebwagen 28 keine Werbung mehr angebracht. Noch erklimmt er als Alltagsfahrzeug in der Rudolf-Breitscheid-Straße den markanten Berg zur Woltersdorfer St.-Michael-Kirche.

Tw 30

Der Auftragswert für die drei fest bestellten Fahrzeuge liegt bei knapp 4,0 Mio EUR, 3,7 Mio EUR davon übernehmen das Land Brandenburg und der Landkreis Oder-Spree. Die weiteren 300.000 EUR steuert die Gemeinde Woltersdorf bei. Durch die Fördermittel konnte ein Batterie-Zusatzantrieb (sog. Supercap) beauftragt werden, sodass kurze Abschnitte auch ohne Fahrleitung zurückgelegt werden können.
Am 11. Februar 2022 unterzeichnete die Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn GmbH (SRS) – seit Januar 2020 über 22,5 Jahre Betriebsführerin der im Eigentum der Gemeinde Woltersdorf und dem Landkreis Oder-Spree stehenden Woltersdorfer Straßenbahn – den Vertrag zum Bau der drei Triebwagen, eine Option auf einen vierten Triebwagen wurde im Auftrag als Option vereinbart. Der neue Fahrzeugtyp ist eine Weiterentwicklung der einteiligen Moderus Gamma LF 05 AC, welche in das polnische Bytom geliefert wurden.
Der Triebwagen 30 hat die St.-Michael-Kirche passiert und fährt weiter entlang der Rudolf-Breitscheid-Straße, um den Thälmannplatz zu erreichen. Der 1960 gebaute Tw 30 stammt aus Schwerin – er lief dort als Tw 22 und kam 1977 nach Woltersdorf, wo er nur wenige Monate als Tw 12 unterwegs war. Von 1978 bis 1978 wurde der Triebwagen zum Tw 28 und im Zuge einer Nummernbereinigung zum Tw 30.

Tw 28

Am Thälmannplatz liegt das Sowjetische Ehrenmal, welches an die bis 1945 im 2. Weltkrieg gefallenen sowjetischen Soldaten erinnert. Seit dem russischen Angriffskrieg gibt es eine Diskussion um die Ehrenmäler – deren dauerhafter Erhalt am 9. November 1990 in einem Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion verbindlich geregelt wurde. Das Gelände des Ehrenmals in Woltersdorf zeigt sich inzwischen auffällig ungepflegt und gibt die aktuelle politische Lage anschaulich wieder. Tw 28 erreicht den Thälmannplatz.

Tw 28

Tw 28 hat die Hst Thälmannplatz auf der Rückfahrt nach Rahnsdorf verlassen, im Hintergrund wieder der Kirchturm der St.-Michael-Kirche und die zur Eisdiele umgewandelte ehemalige Wartehalle am Thälmannplatz. Links im Bild die frühere Haltestelle nach Rahnsdorf, diese wird heute nur noch im Falle von zusätzlichem Betrieb bedient, wenn am Thälmannpltz wie früher üblich gekreuzt wird.

Tw 30

Tw 30 entlang der Berliner Straße an der Einmündung der Eichbergstraße.

Tw 28

An der Kreuzung mit der Baumschulenstraße liegt eines der nicht mehr zahlreicher werdenden inhabergeführten Schreibwarengeschäfte. Das nach Schöneiche und Rüdersdorf weisende Richtungsschild ist an einem aus DDR-Zeiten stammenden Mast befestigt, die einst in gelb angemalt waren.

Tw 30

Entlang der Berliner Straße sind in den über drei Jahrzehnten seit dem Mauerfall unzählige Bauten saniert oder neu gebaut worden, nur einzelne Bauten zeigen sich noch wie einst, auch wenn sie im Falle von Ladengeschäften mit der Zeit gehen und wie hier an der Puschkinallee Motorradbedarf im Angebot haben.

Tw 30

Nur wenige Ecken entlang der Berliner Straße wirken relativ zeitlos, die Kreuzung zur Fasanenstraße gehört dazu. Tw 30 erreicht gleich die Hst Fasanenstraße.

Tw 30

Mit zahlreichen Union Berlin-Fans an Bord verlässt der Tw 30 die Hst Fasanenstraße. Am Nachmittag traf die aktuell in der Bundesliga sehr erfolgreiche Mannschaft auf RB Leipzig, welches die Spitzenpartie heute für sich entscheiden sollte.

Tw 28

Von der Hst Berliner Platz kommend erreicht der Tw 28 in Kürze die Hst Fasanenstraße. Eigentlich sollte bereits der erste neue Triebwagen aus Polen fertiggestellt und ausgeliefert sein, doch durch die aktuelle Wirtschaftssituation mit ihren Lieferkettenproblemen werden die neuen Triebwagen erst im kommenden Jahr in Woltersdorf erwartet, derzeit wird Pfingsten 2024 als erster Präsentationstermin genannt.
Voraussichtlich drei Gotha-Triebwagen werden in Woltersdorf verbleiben, die drei fest bestellten Niederflurfahrzeuge können nur den Regelauslauf decken, selbst im Falle der Beschaffung eines vierten Triebwagens ist keine stabile Werkstattreserve vorhanden – es sei denn man nutzt die historischen Fahrzeuge des Betriebes – wie im Frühjahr 2023 den KSW-Triebwagen 7, welcher im HVZ-Kurzläufer eingesetzt wurde, nachdem von sieben T57 nur noch zwei einsatzfähig zur Verfügung standen. Ob sich dieser Bestand aus den beiden zuletzt modernisierten Tw 31 und 33 sowie dem als heimlichen Traditionswagen
erhaltenen, originalen Tw 29 zusammensetzen wird, mal schauen...

Fotos in Google Earth © 2023 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben