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September 2011

2. September 2011 – 2002: Mit der E69 nochmals von Murnau nach Oberammergau
10. September 2011 – Ausflug nach Lichtenfels
11. September 2011 – Zur Monumentenhalle in Berlin
12. September 2011 – Vollzug mit Vollwerbung
18. September 2011 – 2,8 Kilometer Tunnelblick als Frühsport
24. September 2011 – Kaiserwetter in Naumburg
27. September 2011 – Letzte Arbeiten am Ostring
30. September 2011 – S4-Präsentationsfahrt nach Bad Oldesloe



Sonnabend, 24. September 2011 – Kaiserwetter in Naumburg

Karsdorf

Nach Sachsen-Anhalt ging es von Freitag bis Sonnabend. In Naumburg fährt die "Wilde Zicke" seit April 2007 im täglichen Betrieb, nach Ablauf des Modellversuchs kann durch gesetzliche Anpassungen der tägliche Betrieb der Naumburger Straßenbahn weiter vom Land finanziert werden. Aus Anlass der Landesausstellung "Der Naumburger Meister" fährt die Naumburger Straßenbahn an Sonnabenden vormittags alle 15 Minuten im Zweizugbetrieb, ab 14 Uhr wird der Beiwagen 19 mitgeführt.
So hatte ich mir mit viel Bastelei einen guten Bahnfahrpreis zusammengebastelt, ein Hotel war in Naumburg aber partout nicht aufzutreiben. In Karsdorf wurde ich in Bahnhofsnähe fündig – aber den gleichen Bahnsparpreis nach Karsdorf zu bekommen war ein Ding der Unmöglichkeit. Andere Routen und andere Preise – verstehen muss man das nicht. Es gibt zwar Einzelkarten, die aber eine eigentlich überflüssige Geldausgabe sind, denn die Relationspreise wären gleich gewesen – wenn man denn dem Buchungssystem seinen Reisewunsch
hätte verklickern können.
Das Wetter war endlich wieder gut vorausgesagt, aber die Nebelzeit steht vor der Tür – so stand für vormittags auch Nebel in der Wetterkarte. Ein Blick aus dem Hotelzimmer im Karsdorf zeigte ihn in der Morgendämmerung nach dem Aufstehen im Unstruttal, welches künftig von der Brücke der Neubaustrecke Erfurt – Halle/Leipzig geprägt wird.

Naumburg Hbf

Mit der Burgenlandbahn – einst ein gemeinsames Unternehmen von Karsdorfer Eisenbahn und der Deutschen Bahn und heute zu 100% im Eigentum der DB – ging es rasch nach Naumburg Hbf, von wo der 672 902 als RB 34867 noch bis Naumburg Ost fährt. Während die Bahnsteige der durchgehenden Hauptstrecke Halle – Erfurt im Zuge des Streckenausbaues neu gebaut wurden, präsentiert sich der Bahnsteig der Burgenlandbahn in bemitleidenswertem Zustand – die meisten der gusseisernen Säulen müssen inzwischen von Holzbalken entlastet werden werden.

Bergstraße

Man würde sich ja fast wundern, wenn es keinen Haken gäbe. Den Haken hatte ich am Freitagmorgen gefunden, als ich Fahrkarte und -pläne zusammensuchte. Dieser Haken erklärte auch, warum ich kein Hotelzimmer in Naumburg fand. Neben der Landesausstellung in Naumburg fanden am Sonnabend die Naumburger Sporttage und das "42. internationale Straßengehen" mit Deutschen Meisterschaften statt.
Die Straßenbahn konnte nur bis Theaterplatz fahren, wobei die Ausweiche gesperrt war und dadurch der Beiwagenbetrieb entfiel. Somit blieb nur noch der zweistündige 15min-Takt bis 11 Uhr, wo Betrieb abseits des Alltags gefahren wurde. Aber bei DER Wetterlage war mir der Beiwagenbetrieb eigentlich ohnehin nicht mehr so wichtig – das Licht war genial und die eingesetzten Fahrzeuge optisch alle eine Augenweide.
Der Triebwagen 37, 1959 als Triebwagen 15 nach Stralsund geliefert und nach Einstellung der Stralsunder Straßenbahn etliche Male innerhalb der Verkehrskombinate ausgetauscht, wickelte den Verstärkungsbetrieb ab. Hier ist der Tw 37 soeben von der Bahnhofstraße in die Bergstraße eingebogen, die ihrem Namen alle Ehre macht und zu Dampfzeiten der "Wilden Zicke" ihren Namen einbrachte, da die Dampflok hier im Herbst in der Steigung gerne "Zicken" machte.

Bergstraße

Der Triebwagen 37 kam 2003 aus Jena, wo der Wagen bereits einige Jahre als Stralsunder Wagen 15 beschriftet war und eine blaue Zierlinie statt der in Jena üblichen grünen Zierline erhalten hatte. Bis 2007 wurde der Wagen in Magdeburg umfassend restauriert und soweit wie möglich wieder in den Stralsunder Zustand zurückgebaut und in Stralsunder Farben lackiert. Hier wieder in der Bergstraße in Richtung Bahnhof.

Bergstraße

Obwohl an diesem Sonnabendmorgen vergleichsweise viel Verkehr auf der Bergstraße herrschte, hielten sich die fototechnischen Kollisionen mit dem Autoverkehr erfreulich in Grenzen. Tw 37 fährt entsprechend ohne parallel fahrendes Auto gen Jägerplatz.

Bergstraße

Seit einigen Tagen wirbt die "rasende Rosi" für das Angebot '"Mein Takt" der NASA, welches neben dem Regionalverkehr auch den Busverkehr fördern soll. Die Naumburger Straßenbahn ist allerdings kein Bestandteil von "Mein Takt", die "Wilde Zicke" muss sich andere Finanzierungs- und Fördertöpfe suchen – derzeit ist der Betrieb bis Ende 2012 abgesichert.
Der Triebwagen 29 ist seit 2010 einsatzfähig, der Triebwagen war in Halle 1982 zu einem Arbeitstriebwagen umgebaut worden und kam 2004 nach Naumburg. In Gera wurde der Triebwagen von Grund auf saniert und zeigt sich in dem Zustand, wie die LOWA-Wagen in den 1950er Jahren nach Naumburg geliefert wurden.

Jägerplatz

Unübersehbar steht der Herbst vor der Tür. Am Jägerplatz zeigt sich Triebwagen 38, welcher in den zuletzt in Naumburg üblichen Farben lackiert ist. Der Triebwagen kam 2003 aus Jena, wo er als Tw 114 im Einsatz war. Der Triebwagen 38 stand heute nicht im Liniendienst, er fuhr zweimal bestellte Fahrten und sorgte für zusätzliche Abwechslung im Betrieb.
Die gelb/grüne Tafel im Fahrerfenster (in der Signalordnung nach BOStrab von 1938 noch als Nachzugzeichen "Zg 5" enthalten und in der DDR zuletzt als "St 30" aufgeführt, heute nicht mehr in der Signalordnung) weist darauf hin, dass diesem Wagen ein weiterer Wagen folgt.

Jägerplatz

Am Jägerplatz wurden im Zuge des schrittweisen Wiederaufbaues der Ringbahn zum Hauptbahnhof die Gleise in Seitenlage neu errichtet. Seit 2004 befährt die "Ille" die neuen Gleise, während die Gleisreste der alten Ausweichstelle größtenteils noch liegen. Die Fahrleitungmasten wurden nach historischem Vorbild von einer Naumburger Stahlbaufirma neu gebaut.

Poststraße

Entlang der Poststraße fährt die Ille auf ihrer originalen Trasse, hier stehen auch noch einzelne alte Fahrleitungsmaste. In diesem Bereich zeigt sich Naumburg noch weitgehend unverändert, während im weiteren Verlauf der Trasse zum Hauptbahnhof in den letzten Jahren diverse Neubauten entstanden sind. Triebwagen 29 hat in Kürze die Hst Poststraße/Postring erreicht.

Depot

Am Marienplatz liegt das Depot der Ille, das dortige Gleisdreieck wird im Zweizugbetrieb zur Begegnung der beiden Kurse genutzt. Der vom Theaterplatz kommende Triebwagen setzt in die Depoteinfahrt, der vom Hauptbahnhof kommende Kurs fährt durchgehend zum Theaterplatz. Das Stellen der Weiche hat ein Aktiver des Vereins "Nahverkehrsfreunde Naumburg – Jena e.V." übernommen, wie überhaupt ein Großteil der Arbeiten rund um Betrieb und Werkstatt von Ehrenamtlichen geleistet wird.

Depot

Triebwagen 29 ist vom Theaterplatz gekommen – welcher zu DDR-Zeiten bis 1990 "Platz der Einheit" hieß – und setzt zum letzten Mal in die Depoteinfahrt, um den Tw 37 zum Theaterplatz vorbei zu lassen. Anschließend beginnt der 30min-Takt und Triebwagen 37 setzt aus.

Depot

In der Werkstatt des Straßenbahndepots der Beiwagen 1 sowie der mit Fristablauf abgestellte Triebwagen 23. Der Beiwagen 1 wird in Kleinarbeit originalgetreu saniert und vom Einrichtungswagen wieder zum Zweirichtungswagen umgebaut. Der Tw 23 wurde 1956 neu an die Deutsche Reichsbahn geliefert und als ET 198 04 bis zur Einstellung 1964 auf der Schmalspurbahn Klingenthal – Sachsenberg-Georgenthal eingesetzt.

Poststraße

Tw 37 verlässt die Hst Poststraße/Postring in Richtung Theaterplatz. Im Bereich der Haltestelle zweigte bis 1981 die Strecke in die Altstadt ab, welche 1976 ab Lindenring unterbrochen wurde, da der Marktplatz straßenbahnfrei werden sollte.

Depot

Am Depot am Marienplatz steht der Tw 38 für die nächste Sonderfahrt bereit, Tw 37 ist eingerückt – der LOWA-Triebwagen 29 biegt auf die Strecke entlang der Stadtpromenade ab.

Stadtpromenade

Die Streckenführung entlang der Stadtpromenade ist ein Ergebnis der gewollten Einstellung der Altstadtstrecke und der Ölverknappung Ende der 1970er Jahre in der DDR (die Ölpreise waren staatlich reguliert, der Staat musste die Differenz zwischen Abgabepreis und Einkaufspreis subventionieren). Die aufgrund Baufälligkeit aller technischen Anlagen faktisch bereits 1979 erfolgte Stilllegung der Naumburger Straßenbahn wurde dadurch unmöglich und die Anlagen mussten anstelle der Einrichtung eines Omnibusbetriebes wieder in einen betriebssicheren Zustand gebracht werden. Um den Ring wieder zu schließen, wurde 1981 außerhalb der Altstadt entlang der Stadtpromande eine Neubaustrecke angelegt.

Hst Wiesenstraße

Der Bereich der Bahnhofstraße war im August 1991 der Anlass, die Straßenbahn in Naumburg vorerst stillzulegen. Durch den Ringbetrieb waren fast nur Einrichtungswagen vorhanden und ein Pendelbetrieb damit ausgeschlossen. Die Bauarbeiten wurden nie mit einer Ringschließung abgeschlossen, obwohl in diesem Bereich neue Gleise gelegt wurden. Erst ab 2004 – rund 12 Jahre nach Beginn der Bauarbeiten – konnte die Straßenbahn wieder in der Bahnhofstraße verkehren.

Georgenstraße

Mit viel Phantasie könnte man meinen, wie in alten Zeiten fährt die Ringbahn durch Naumburg. Nun, wer verfallene Anlagen als einzig passendes Ambiente sieht, der muss sich fragen lassen, wie die Menge der morbiden Anlagen aus den 1980er Jahren heute über 20 Jahre später aussehen täte. Bei der Knappheit an Baukapazitäten in der DDR würde ein Großteil heute aufgegeben sein oder durch Neubauten ersetzt. Die Straßenbahn wäre wohl längst endgültig eingestellt – bis zur Betriebseinstellung 1991 wurde letztlich immer weiter von der Substanz gelebt.
Von daher, Zeit lässt sich nicht aufhalten und so ist die Naumburger Straßenbahn heute ein vorbildlich agierender Betrieb mit historischen Fahrzeugen im Linienbetrieb und das Umfeld an der Einmündung Bergstraße/Georgenstraße präsentiert sich aufgeräumt und saniert.


Bergstraße

Tw 29 erklimmt im satten Nachmittagslicht die Bergstraße.

Hauptbahnhof

Am Hauptbahnhof gibt eine Ausweiche mit Rückfallweichen. Sonderfahrten müssen passgenau vom Depot aus eingefädelt werden oder nach Abfahrt des Planzuges die Ausweiche erneut umfahren. Tw 38 als Sonderfahrt ist dem vorherigen Kurs gefolgt und wartet auf den nachfolgenden Wagen, dem er als Vorläufer vorausfährt.

Gartenstraße

Die Kreuzung Poststraße/Gartenstraße passiert der Tw 29. Abgesehen von wenigen Veränderungen der Infrastruktur könnte man meinen, das Bild ist vor vielen Jahren entstanden. In der Poststraße ist hin zum Jägerplatz viel alte Bausubstanz erhalten, das Haus im Hintergrund steht zum Verkauf...

Gartenstraße

In Höhe des früheren Abzweiges zur Altstadt passiert Tw 43 die Gartenstraße in Richtung Hauptbahnhof. Vorbildlich restaurierte Altbauten prägen die Szenerie, an der Straßenecke recken die Sonnenblumen ihre Blüten der wärmenden Spätsommersonne zu.

Bergstraße

An den Wagen waren vor Jahrzehnten neben Hinweisen, dass der Wagen ohne Schaffner fährt auch Verhaltensregeln für Autofahrer und Eltern angebracht. Im Gegensatz zu heute waren die Generationen früher sicher nicht leichtsinniger – aber vielleicht ist das alles nur eine Frage der Relationen und man schüttelte damals den Kopf über Dinge, die man heute bereits als Teil des täglichen Lebens akzeptiert hat.
Heute würde der Verkehrsbetrieb wahrscheinlich
an dieser Stelle eher mit handylesbaren QR-Codes punkten, aber gleichzeitig das spontane Davorspringen von Handynutzern provozieren – die dann erfahren, dass da in QR-Code steht "Halte Abstand von der Bahn!".

Poststraße

Mit der Vorbeifahrt des Tw 29 an der Einmündung Poststraße endete die Fototour nach Naumburg, anschließend ging es noch zu gutem Preis mit Aussicht auf die Straßenbahn Essen – solche Touren sind heute viel zu selten möglich. Mein Dank gilt den überaus freundlichen Straßenbahnern in Naumburg, die ohne Wimpernzucken auch nur zwei Besucher durch das Depot führen und viel wissenswertes über die "Wilde Zicke" erzählen und viel von dem Flair vermitteln, durch das die Naumburger Straßenbahn heute überhaupt noch fährt.

Fotos in Google: Maps Earth © 2011 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben