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September 2014

2. September – Von Rehen und Zebras
5. September – Lummerland lockt
6. September – Leichenfledderung?
11. September – Straßenbahn bei Bauhaus
14. September – Kleiner Verkehrshistorischer Tag in Hamburgs Osten
19. September – Alltagskost
23. September – Zur Innotrans nach Berlin
27. September – Hoch hinaus
29. September – Kurz vor Toresschluss


Sonnabend, 6. September 2014 – Leichenfledderung?

VT 670.86

Wenn der Leser die bisherigen drei September-Einträge des Fototagebuchs liest, so könnte er den Eindruck gewinnen, dass die Fokussierung aktuell etwas einseitig sein könnte. Dem kann ich nicht wirklich widersprechen, ist aber aufgrund gewisser Umstände aktuell naheliegend.
Streckenstilllegungen begleiten uns seit vielen Jahrzehnten – waren es zunächst die einst zahlreichen Stichstrecken, so konzentrieren sich die aktuellen Streckenstilllegungen heute meist auf Verbindungen
zwischen größeren Orten im Osten, die bisher immer noch eine gewisse Netzwirkung hatten. Seit 1997 ist manche "Abbestellung" politisch motiviert, weil ein Bundesland keinen Verkehr in das andere Bundesland mehr finanzieren will – Länderbahnen lassen grüßen.
Zunehmend wird auch bei diesen Querverbindungen auf reale Fahrgastzahlen geschaut und so manche Strecke, die die letzten fast 20 Jahre Regionalisierung überlebt hat, kommt angesichts der eigentlich schon immer "knappen Kassen" in eine Neubewertung. Die von der ODEG befahrene Mecklenburgische Südbahn steht aktuell zwischen Malchow und Parchim zur Abbestellung an. Entsprechend hat die DB im Januar 2014 den Abschnitt Parchim – Karow zur Übernahme durch Dritte bzw. Stilllegung ausgeschrieben.
Die von VT 650.86 durchfahrene Ausweichanschlussstelle (Awanst) Darze wird seit 2009 nicht mehr bedient und ist Teil des zur Übernahme durch Dritte bzw. Stilllegung ausgeschriebenen Streckenabschnitts Parchim – Karow.

VT 670.91

Vom Glanz des Bf Karow(Meckl) ist nichts übrig geblieben. Von vier Bahnsteiggleisen wird aktuell nur noch eines befahren, die umfangreichen Anlagen der Gütergleise sind außer Betrieb. Von einst sechs nördlichen Ausfahrsignalen sind heute nur noch vier übrig, von denen nur noch eins benötigt wird – das Empfangsgebäude ist seit Jahren leerstehend. Die Fußgängerbrücke ist seit rund 14 Jahren gesperrt und der Zugang zu den Zügen führt über das nicht mehr befahrene Gleis 1.
Fünf Strecken führten einst zum Knotenbahnhof Karow – aus Wismar, Parchim, Güstrow, Waren und Pritzwalk. Heute ist der mit zwei Stellwerken ausgestattete Bahnhof nur noch Haltepunkt der von der ODEG befahrenen Line R3 Hagenow – Neustrelitz. Zum Fahrplanwechsel im Dezember ist im Zuge von Einsparmaßnahmen die Abbestellung des Teilabschnitts Parchim – Malchow vorgesehen – damit verliert der dazwischen gelegene Bahnhof Karow auch die letzte regelmäßige Anbindung und ist ab Dezember 2014 ohne planmäßigen Verkehr.
VT 650.91 verlässt auf der Fahrt nach Neustrelitz den Bf Karow(Meckl). Am Bahnhofsgebäude ist ein Banner aufgehängt, dass die Südbahn bleiben soll – entsprechende Proteste sind in praktisch jedem betroffenen Ort zu sehen.


Wasserkran

Von einstigen Glanzzeiten des Eisenbahnbetriebes zeugt dieser Wasserkran – nach der Wende 1989 noch auf fast jedem größeren Bahnhof der Deutschen Reichsbahn zu finden. Inzwischen im Zuge der Erneuerungen fast überall verschwunden, erinnert der Wasserkran an betriebsame Zeiten.

VT 43

Eigentlich sollte im Bf Ganzlin bereits am vergangenen Dienstag ein Foto entstehen, als die 212 249 von Lokomotion zwei von der DB übernommene Loks der BR 151 von Mukran bzw. Rostock-Seehafen nach Dessau zur Instandsetzung überführte. Passend zur Durchfahrt verdunkelte jedoch eine Fotowolke das Motiv völlig.
Seit September 2000 wird
auf der Strecke Pritzwalk – Karow nördlich der Landesgrenze Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern bei Meyenburg kein regelmäßiger Personenverkehr mehr angeboten. Seit 2013 bietet die EGP in den Sommermonaten an Sonnabenden über Meyenburg hinaus verlängerte Zugfahrten nach Krakow am See bzw. Silbermühle an. Die Nutzung der Fahrten ist nach bisherigen Beobachtungen alles andere als zufriedenstellend – bei den beiden heute gesehenen Fahrten war kein Fahrgast an Bord des anstelle des üblichen Doppelstockschienenbusses eingesetzen VT 43. Ob die EGP diesen Verkehr 2015 noch anbieten wird?

Bahnhofsgebäude Ganzlin

Ganzlin war Endpunkt der von Röbel kommenden Strecke, seit den 1990er Jahren als Museumsbahn genutzt. Durch vereinsinterne Streitigkeiten ging der Museumsbetrieb vor einigen Jahren sprichwörtlich den Bach hinunter – viele Museumsfahrzeuge wurden unter fragwürdigen Umständen verschrottet. Um die lange betriebsfähige Museumslok 52 8029 tobte ein erbitterter Kampf mit pressewirksamer Diebstahlsanzeige, Zwangsversteigerung, einstweiliger Verfügung und am Ende doch einer Versteigerung.
Ein leider abschreckendes Beispiel wie eine Museumsbahn nicht funktionieren sollte. Heute herrscht in Ganzlin üblicherweise totale Betriebsruhe, allenfalls aufgeweckt von gelegentlichen Überführungsfahrten oder aktuell den sonnabendlichen Ausflugsfahrten.

VT 650.91

Abgesehen von erneuerten Beleuchtungsanlagen und einem Fahrgastunterstand scheint im Hp Gallin die Zeit stehengeblieben zu sein. Immerhin drei Reisende wollen in Gallin zusteigen, der RegioShuttle-Triebwagen VT 650.91 ist für den Rollstuhlfahrer sicher eine enorme Erleichterung im Vergleich zu früheren Zeiten. Ab Dezember 2014 stellt sich die Frage nicht mehr, dann wird kein Zug mehr den Haltepunkt Gallin anfahren.

VT 650.91

Da der Rollstuhlfahrer Hubliftunterstützung benötigte, war während des Haltes noch eine Motivvariation möglich, die den Haltepunkt komplett zeigt.

Draisinen

Vielleicht wird man sich dort in einigen Jahren auch wie auf der in diesem Bereich 2003 endgültig stillgelegten Strecke (Wismar –) Borkow – Damerow (– Karow) mittels Draisinen fortbewegen können, wie hier im früheren Hp Damerow. Dann sperrt ein Stopp-Schild die Fahrt der Draisinen für eine Vorfahrt des Straßenverkehrs. Bei einer Streckenerkundung gelang mir noch dieser nicht geplante Nachschuss auf eine Dreier-Gruppe Draisinenfahrer.

VT 43

Zum Abschluss der Tour auf Pfaden der baldigen Einstellung der Restverkehre ging es nochmals zum Bf Karow, wo die abendliche Ausflugsfahrt nach Krakow am See mit VT 43 und null Fahrgästen pünktlich den Bahnhof verließ. Auch wenn die touristische Bedeutung der Strecken immer wieder betont wird, die Nutzung muss auch real erfolgen – ohne diese wird kaum wer den Betrieb oder eines nicht mehr allzu fernen Tages die Erneuerung der Infrastruktur bezahlen.
Es bleibt zu hoffen, dass man nicht in fünf oder zehn Jahren Resümee ziehen muss, dass die heute noch betriebenen Strecken in der Prignitz und an der Mecklenburgischen Seenplatte nur noch Eisenbahngeschichte sind. In jenem Fall würden im Bahnhof Karow nur noch Birken wachsen.

Fotos in Google Earth © 2014 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben