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2. Juni – Mit dem ICE-TD in die Prignitz
4. Juni – Ein neuer VT 628 für die neg
6. Juni – Mit dem Deutz-Diesel über die OHE
8. Juni – Der blauen 181 auf der Spur
9. Juni – Strandbetrieb
11. Juni – 75 Grad in Schwanheide
15. Juni – Reisekultur von heute
16. Juni – Reise in die Zeitblase
17. Juni – Blondine zur Frischzellenkur
27. Juni – Der neue Zug von morgen schon heute

Mittwoch, 16. Juni 2021 – Reise in die Zeitblase

ICE4

Der Weg heute sollte eine Zeitreise, dieses Mal im „Westen“ und im Bundesbahnland werden. Ende Mai führte der Weg bereits einmal in eine Zeitblase, damals im „Osten“ im Reichsbahnland und aus der Sicht des mehr oder minder zufälligen Betrachters. Aber trotz aller Nostalgie und Reiz des Vergänglichen muss man sachlich feststellen, das Herz des in Hamburg aufgewachsenen Fotografen schlägt bei der Bundesbahn einige Takte höher.
Die Zeitreise begann rund 11 Stunden nach dem letzten Foto an fast gleicher Stelle. Während das Sammlungsgebiet Deutsche Reichsbahn zum 31. Dezember 1993 abgeschlossen wurde, ist das Sammlungsgebiet Deutsche Bundesbahn nie so richtig abgeschlossen worden – obgleich die Geschichte der alten DB ebenfalls zum 31. Dezember 1993 endete.
Im Osten gibt es einige Fahrzeugparks, die historisch stimmig zu den Triebfahrzeugen der späten DR-Zeit passen – im Westen sind zwar auch zahlreiche Wagen der Nachkriegsbauarten erhalten, allerdings sind stimmige Züge aufgrund der Verstreutheit der Wagen kaum darzustellen, bzw. manch vorhandener Bestand wurde durch Insolvenz oder Verkauf aufgelöst. Einen Anbieter eines durchweg stimmigen Nachkriegszuges der Deutschen Bundesbahn gibt es allerdings und dieser war Ziel der Reise über drei Tage. Zunächst fährt das aktuelle Premium-Produkt der DB, der ICE4, in Form des ICE616 nach Dortmund auf Gleis 5 des Kölner Hauptbahnhofs ein.

Dome-Car

Nein, das ist nicht der ICE545 nach Berlin Stadtb…, äh Ostbahnhof. Auf Gleis 5 fährt nach rund 15 Monaten pandemiebedingter Pause erstmals wieder der Rheingold ein (Der Historiker wird jedoch blitzgescheit feststellen, dass der Aussichtswagen ein für den F-Zug Rheinpfeil beschaffter Wagen ist – die Fahrt heute erinnert auch an den Rheinpfeil, wie er 1971 verkehrte).

112 309

Inzwischen wird am Bahnsteig das richtige Ziel Nürnberg angezeigt, die Zeitreise kann beginnen. An Gleis 5 steht der „außerplanmäßig“ auf den Laufweg Köln – Nürnberg verkürzte TEE Rheinpfeil mit der passenden Rheinpfeil-Lok 112 309 nach Nürnberg bereit.

TEE Rheinpfeil

Auch eine Zeitreise kann die Zeit nicht aufheben. So ist das Zuglaufschild des TEE Rheinpfeil in den seit den 1990er Jahren üblich gewordenen Halterungen in den Türfenstern angebracht. Erst mit der Digitalisierung der Zuglaufanzeigen ist die Anzeige des Zuglaufes wieder an die ursprüngliche Stelle der Wagen zurückgekehrt. Sichtlich stolz zeigt der zusteigende Reisende auf das Zuglaufschild – eine Erinnerung an seine Kindheit, der ein nicht unwesentlicher Teil des Zuges seine Existenz zu verdanken hat.

Domecar

Die Fernschnellzüge Rheingold und Rheinpfeil erhielten 1962 bzw. 1963 Aussichtswagen der Gattung AD4üm mit einer Glaskanzel, welche ihnen nach den amerikanischen Vorbildern den Namen Domecar einbrachte.

Domecar

Reiseerlebnis pur sind die Plätze im mit goldbedampften Scheiben versehenen Aussichtswagen, die einst auf der bis heute ein Erlebnis bildenden linken Rheinstrecke zum Einsatz kamen. Die Wagen wurden bereits 1973, rund zehn Jahre nach ihrem Bau, aus dem Einsatz in den 1965 zum TEE hochgestuften F-Zügen zurückgezogen.
1976 wurden sie an die Internationale Apfelpfeil-Organisation (IAO)
, nach Insolvenz der Gesellschaft an das Reisebüro Mittelthurgau verkauft, welche die Wagen wieder in TEE-Farben lackierte. Von von 1999 bis 2002 kamen die Wagen in Schweden bei der Veolia-Tochter Tågkompaniet zwischen Stockholm und dem nördlich des Polarkreises gelegenen Narvik zum Einsatz, ehe sie wieder nach Deutschland bzw. in die Niederlande verkauft wurden.
Der Wagen 10554 wurde zunächst von der Vulkan-Eifel-Bahn Betriebsgesellschaft (VEB) übernommen, er wird seit 2007 von der AKE im Rheingold eingesetzt und ist zentraler Bestandteil der AKE-Fahrten.

Dome-Car

In der mittleren Ebene des Aussichtswagen ist eine Bar angesiedelt. Ab 1964 wurden anstelle der Aussichtswagen für die lokbespannten TEE-Züge ab 1964 14 neue Barwagen der Reihe ARD4üm-64 in Dienst gestellt, die bis 1982 bei der DB im Dienst blieben. Die fünf gebauten Buckelspeisewagen der Reihe WR4üm und die fünf Aussichtswagen wurden von der DB früh außer Dienst gestellt. Von den Barwagen und den Buckelspeisewagen ist je ein Exemplar beim Freundeskreis Eisenbahn Köln e.V. (FEK) erhalten gelbieben, beide Wagen sind wie ein weiterer Aussichtswagen beim FEK betriebsfähig.

Apmz

Zu jedem 1. Klasse Bereich gehörte bei TEE und IC ein Großraumwagen der Reihe Ap4vüm, hier der 56 80 18-95 001-0. Neben den Abteilwagen der Reihe Av4üm waren diese Wagen die Königsklasse im DB-Fernreiseverkehr. Je nach Vorliebe fand jeder seinen passenden Platz und konnte den gehobenen Komfort genießen.
Wenn man in die praktisch fertiggestellten Großraummittelwagen des 2004 gestoppten VT11.5-Projektes schaut, wird man in der Standard keine Unterschiede finden. Im Gegensatz zu den verstreuten Resten des
VT11.5-Projekts konnten die AKE-Wagen bis heute als Zeitzeugen fahrfähig erlebt werden.

Apmz

Individuell die Sitze einstellen, ohne den Hintermann einzuengen, die Fußstützen auf die die passende Höhe einstellen und letztlich das Licht am Platz nach eigenen Wünschen einstellen. Heute Fremdwörter – auch in der 1. Klasse der DB, wo die 1. Klasse manchesmal nur noch in der Sitzfarbe einen Unterschied zur 2. Klasse macht und im Buchungsportal gerne verramscht wird.

Avmz

Klassischer Blick entlang der Abteile. Der im Foto zu sehende Avmz hat die letzten Betriebsjahre beim ALEX im bayerischen Nahverkehr verbracht und kam noch kurzzeitig beim HKX zwischen Hamburg und Köln zum Einsatz. Drei dieser ehemaligen ALEX-Wagen sind heute beim AKE für den Rheingold im Bestand.

Übergang

Ein vielen noch vertrauter Anblick, die schwankenden Wagenübergänge. Laut, zugig und oft nur mühsam zu öffnen. Automatische Türöffnungshilfen gab es nur bei den TEE-Wagen der 1. Klasse. Die zweite Klasse musste mit manuell zu öffnenden Türen auskommen oder besaß nur Rolläden bzw. Falttüren – mit entsprechend in die Wagen durchgehendem Lärm. Erst ab den IC-Großraumwagen der 2. Klasse wurden auch in der 2. Klasse automatische Türen zum Standard.

Zuglaufschild

Messingrahmen für Zuggattung und Zugnamen, Wagennummer und Zuglauf. Das Groß der heute erhaltenen Zuglaufschilder von einst dürfte auf dem „normalen“ Schwundweg den Weg in die heutige Zeit gefunden haben.

WRmz

Die Halbspeisewagen der Reihe ARüm-65 bzw. ARmh217 hatten einen der 1. Klasse zugeordneten Bereich, welcher bei Bedarf als Speisebereich genutzt werden konnte. 

WRmz

Das klassische Speiseabteil mit der Trennung zum erweiterten Speiseabteil. Der heutige 56 80 85-92 151-4 wurde 1969 bei Wegmann gebaut und 2005 bei der DB ausgemustert, über ARRIVA bzw. den ALEX – wo der Wagen im „Kakadu-Lack“ purpurrot/kobaltblau gehalten war – kam der Wagen zur AKE, die 2015 den Wagen in den TEE-Farben lackierte.

Rheintal

Das Highlight einer Reise auf den Schienen in Deutschland ist die Reise entlang der linken Rheinstrecke zwischen Bonn und Mainz. Hier verkehrte noch bis 1987 unter dem Namen Rheingold der letzte TEE der Deutschen Bundesbahn. Lokbespannte EuroCity haben die Nachfolge angetreten, die schweizerischen SBB betreiben noch heute Aussichtswagen in den EC – ihr Ende ist aber absehbar.
Bei Boppard ein Blick auf den TEE Rheinpfeil mit seinen vier klassischen TEE-Wagen und einer Bespannung aus zwei Loks der BR 112, welche 1991 im Zuge der Integration der Loks der Deutschen Reichsbahn in das Nummernsystem der DB zur BR 113 wurden.


Rheintal

Auf dieser Aufnahme bei Hirzenach auch die Auflösung, wie denn bei einem klimatisierten TEE aus dem Zugfenster Aufnahmen entstehen können. Der AKE Rheingold führt seit 2015 den Clubwagen WGmh824.0 56 80 89-80 600-0 mit, welcher 1976 bei der Waggon-Union in Berlin gebaut wurde und für den Einsatz im AKE Rheingold die TEE-Farben erhielt.

ADmh

Die Fahrt im Aussichtswagen ist stets ein Erlebnis – besonders nachhaltig, wenn die Klimaanlage ausfällt. Davor ist auch der AKE nicht gefeit. Die Wagen hatten über ein Jahr Standzeit und manche Schwachstelle zeigt sich erst unter Last. Aber mit etwas Umluft lässt es sich im Domecar aushalten.

112 268

Gestern zeigte der Blick auf die Zuglok etwas modernere Traktionstechnik, aber diese Form und Farbe ist einfach unschlagbar. Die Rheingold-E10.12 haben im Gegensatz zu den Rheinpfeil-E10.12 nie Umlaufgriffstangen besessen.

Zuglaufschild

Zuglaufschild des heute etwas im Zuglauf eingekürzten TEE-Rheinpfeil. Die seitlich angebrachten Zuglaufschilder wandelten sich in der Gestaltung und je nach Druckverfahren regelmäßig. Von den Wagenaußenseiten verschwanden sie in den 1990er Jahren und wurden in die Drehfalttüren bzw. bei Nahverkehrswagen in Fensterbereiche an den Wagenenden verlagert.

Dome-Car

Die Landschaft hat sich etwas gewandelt – das klassische Maintal über Gemünden wurde über die Nantenbacher Kurve umfahren. In Richtung Ansbach ging es entlang des Würzburg-Ochsenfurter Maintals, hier am 1860 im Rundbogenstil erbauten Bahnhofsgebäude von Ochsenfuhrt.

103 224 und 112 309

Schließlich war das Ziel des Tagesetappe erreicht – Nürnberg. Die glänzende 112 309 lässt in Nürnberg Rbf die 103 224 sprichwörtlich vor Neid erblassen.
Gehörte ab 2005 in den ersten Jahren stets eine Lokomotive der BR 103 zum von DB Nostalgiereisen betriebenen TEE Rheingold – welcher ab 2007 durch eine Kooperation mit der VEB bzw. der AKE u.a. um eines der aus Schweden zurückgekehrten Domecars ergänzt wurde – zog sich die DB Ende 2012 mehr oder minder Knall auf Fall aus dem Betrieb des Rheingolds mit allen der DB gehörenden Fahrzeugen zurück und der nun AKE Rheingold genannte Zug war erstmal nur noch ein Schatten seinerselbst.
In den folgenden Jahren konnte der Bestand an TEE-Fahrzeugen beim AKE zwar wieder mit eigenen Fahrzeugen erweitert werden – aber eine Lok der BR 103 war ab Ende 2012 für den AKE-Rheingold nicht mehr verfügbar.

103 224 und 112 309

Zum Zeitpunkt der Ausmusterung der BR 103 bei DB Fernverkehr wurden keine Fahrzeuge an extern verkauft, die museal erhaltenen Loks blieben im Eigentum von DB Fernverkehr und gingen nach der Gründung der Deutsche Bahn Stiftung gGmbH auf diese über. Nur die 103 136 war über Siemens an das Bayerische Eisenbahnmuseum e.V. (BEM) in Nördlingen gekommen. 2014 verkaufte DB Systemtechnik bei Fristablauf ihre 103 222 – hier kam Railadventure zum Zuge, welches die Lok seitdem im typischen Railadventure-Design meist vor Überführungen oder vor dem unternehmenseigenen und völlig neugestalteten Domecar einsetzt.
2002 konnte auf private Initiative hin die 103 224 über einen Leihvertrag mit DB Fernverkehr vor der Verschrottung gerettet werden, sie wurde im Anschluss bei den Regentalwerken in Neumark(Sachsen) äußerlich aufgearbeitet und für eine geplante Ausstellung im Deutschen Dampflokmuseum (DDM) in Neuenmarkt-Wirsberg zunächst geschützt hinterstellt. Nach Ablauf des Leihvertrages mit der DB und Übereignung der 103 224 in das Stiftungsvermögen der Deutsche Bahn Stiftung zog das DB Museum die Lok ab und stellte sie fortan im DB Museum in Nürnberg im Außengelände ab.

103 224

Die Jahre der Freiausstellung ohne Lokpflege haben an der Lok Spuren hinterlassen. Im Coronajahr 2020 eröffnete sich die vielleicht einmalige Chance, das „verlorene Kind“ wieder in die Familie zu holen. Das DB Museum ging auf das Angebot, die 103 224 gegen die 132 zu tauschen ein.
Das DB Museum hatte die 103 132 im Jahr 2018 an das von Tobias Richter geführte Unternehmen verkauft, die 2003 abgestellte Lok war aber seit Jahren geplünderter Ersatzteilspender und in sehr mäßigem Zustand. Die 103 224 dagegen war 2002 noch mit eigener Kraft zur optischen Aufarbeitung nach Neumark gefahren und vollständig. So wurden im Hause TRI Nägel mit Köpfen gemacht und die Lok gekauft. Im Gegenzug wird die 103 132 nach einer optischen Aufarbeitung an das DB Museum übereignet und vsl. wieder in Nürnberg ausgestellt.


112 268 und 103 224

Nun ist es soweit, die 103 224 wird von TRI abgeholt. 112 268 setzt sich an die Lok.

112 268

Inmitten von modernen Drehstromlokomotiven zieht die 112 268 die 103 224 etwas vor, um sie an passender Stelle zu parken.

103 224

Der Lack von 103 224 ist in den fünf Jahren in Nürnberg unverkennbar stumpf geworden.

103 224

Doch das muss nicht sein, sagt sich der neue Eigentümer der Lok. Was wird zuerst geputzt? Natürlich das Lokschild, das Heiligtum einer jeden 103!

103 224

Alleine putzen macht keinen Spaß, eine 103 ist groß und bietet viel Fläche zum putzen.

103 224

Der Dirigent gibt den Takt an und keine Stelle der Lokfront bleibt unbeachtet.

103 224

Nun ist die Lok von vorne wieder vorzeigbar und es ist Zeit für den symbolischen Eigentumswechsel. Goodbye DB, welcome TRI.

112 309, 103 224 und 112 268

Bevor die Reise in das Nachtlager weitergeht musste noch ein Familienfoto sein. Das Motto der Fahrt war TEE Rheinpfeil 1971, auch wenn die 103 224 erst 1973 in Dienst gestellt wurde. Entsprechend sind beide E10.12 in der EDV-Beschriftung ab 1968 angereist. Die 112 309 wird üblicherweise als E10 1309 eingesetzt.

103 224 und 112 309

Kein Vergleich mehr zum ersten Nebeneinanderfoto mit 112 309 weiter oben. In den kommenden Monaten wird die Lok in Dessau einer Hauptuntersuchung unterzogen und dabei vsl. die auch bei den E10.12 verwendeten, originalen TEE-Farbtöne Beige (RAL 1001) und Weinrot (RAL 3005) erhalten, wie sie bis 1974 Anwendung fanden. In Zusammenhang mit der Einführung des neuen ozeanblau/elfenbeinfarbenen Farbschemas (RAL 5020/RAL 1014 bzw. Purpurrot (RAL 3004)) waren diese Farbtöne ab 1974 geändert worden.

122 268 un 103 224

Die Loks werden zusammengestellt und der Zug für die morgige Fahrt in Richtung Dessau vorbereitet.

Fotos in Google Earth © 2021 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben